This Page

has been moved to new address

Die Kinderfresser-Bar

Sorry for inconvenience...

Redirection provided by Blogger to WordPress Migration Service
Die Kinderfresser-Bar

Sonntag, 7. August 2011

Datenethik als Richtungsweiser im Informationszeitalter

Spackos und Aluhüte, Datenschutz und Transparenz, Öffentlich und Privat. Wie muss sich unsere Gesellschaft verändern, um im Informationszeitalter zu bestehen? Und was müssen wir dabei lernen? Ein Manifest - und ein Diskussionsanstoß.


PROLOG

Die Welt ist im Umbruch, verursacht durch die aufkommende Informationsgesellschaft. Menschen tauschen Informationen mit Anderen aus - und es werden stetig mehr.

Während die Vernetzung die aufkommenden Demokratiebewegungen in aller Welt massiv unterstützt hat - was einhellig begrüßt wurde - gibt es auf der anderen Seite auch Bedenken gegenüber derselben Vernetzung, wenn es um das Verbreiten persönlicher Informationen geht.

Wie nahezu jede Sache kann Vernetzung positiv als auch negativ genutzt werden. Die negativen Auswüchse bringen immer schnell Rufe nach einem stärkeren Datenschutz hervor, häufig verbunden mit teils sehr unrealistischen Forderungen.

Viele dieser Reaktionen berücksichtigen nicht, dass sich die Welt mittlerweile geändert hat. Wir erzeugen nicht nur immer mehr Daten - auch immer mehr Menschen sind im Besitz dieser Daten. Sie führen umfangreiche Adressbücher, erstellen Videos und Fotos und stellen diese anderen zur Verfügung. Oft genug geschieht dies, ohne sich ausreichend Gedanken über mögliche Folgen gemacht zu haben.

Die große Anzahl von Datenverarbeitern macht es unmöglich, den Fluss von Daten alleine durch Gesetze regulieren zu wollen.

Gesetze sind ein wichtiges Mittel, wenn es um Datenverarbeitung durch gewerbliche Verarbeiter geht. Auf Privatmenschen jedoch sind sie kaum anwendbar. Die Hand des Gesetzes erreicht nicht die Computer Privater und im Hinblick auf Freiheit und Überwachung ist auch ein Staat nicht erstrebenswert, der im Namen des Datenschutzes seinen Bürgern bei der Datenverarbeitung über die Schulter schaut.

Die Pioniere des Informationszeitalters, die Hacker, standen schon früh vor ähnlichen Fragen. Ihre Antwort war ein Verhaltenskodex: die Hackerethik.

Dieser Kodex hat das Selbstverständnis der Hackerkultur bis heute entscheidend geprägt. Nicht, weil eine staatliche oder technische Autorität diese Regeln erzwungen hat, sondern weil sich die Mehrheit aus eigener Überzeugung an diese Regeln hält und Übertretungen missbilligt werden.

Es ist nun an der Zeit, einen Kodex für die ganze Informationsgesellschaft zu finden. Es ist Zeit für eine Datenethik.


ERSTES DATENETHISCHES MANIFEST

Du bestimmst über deine Daten.
Deine Freiheit, über die Verwendung deiner Daten selbst zu bestimmen, ist der zentrale Grundsatz. Es liegt an dir, ob du viel, wenig oder gar nichts über dich veröffentlichen möchtest. Es ist dein Recht darüber zu bestimmen und deine Pflicht andere darüber zu informieren, damit sie deinen Wunsch respektieren können.

Privatsphäre beginnt dort, wo dein Gegenüber seine Grenze zieht, nicht aber dort, wo du sie ziehen würdest.
Menschen sind unterschiedlich. Was du ohne mit der Wimper zu zucken veröffentlichen würdest, kann für einen anderen ein intimes Detail sein und umgekehrt. Du musst daher keine Daten von Personen schützen, die dies nicht wünschen - andererseits aber auf Wunsch persönliche Informationen auch dann vertraulich behandeln, wenn du es selbst nicht nachvollziehen kannst. Respektiere das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Individuums und setze nicht deine persönliche Sicht der Dinge an seine Stelle, denn auch deine Privatsphäre hängt von der Rücksichtnahme Anderer ab.

Veröffentliche keine Daten Anderer ohne Erlaubnis, wenn nicht ausnahmsweise die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran hat.
Spiegelbildlich zum Selbstbestimmungsrecht über deine eigenen Daten bist du in der Pflicht, das Selbstbestimmungsrecht Anderer zu respektieren. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung gegenüber dem Interesse des Individuums deutlich überwiegt, beispielsweise, wenn du Straftaten, Korruption oder andere Missstände aufdecken willst. Doch auch hier solltest du abwägen, wie detailliert eine Veröffentlichung im Einzelfall sein muss, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen.

Menschen haben ein Recht auf Anonymität und Pseudonymität.
Akzeptiere, wenn jemand seine wahre Identität nicht preisgeben möchte. Versuche nicht, seine wahre Identität zu recherchieren. Solltest Du wissen, wer sich tatsächlich hinter einem Pseudonym verbirgt, respektiere den Wunsch, pseudonym zu bleiben. Behalte dein Wissen für Dich, falls nicht ausnahmsweise die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran hat.

Veröffentliche keine Daten, die nicht öffentlich sein sollen.
Mache dir bewusst, was Öffentlichkeit bedeutet. Sei dir immer im Klaren, was mit Daten geschehen kann, die du verbreitest. Selbst wenn sie nur für eine kleine Gruppe gedacht waren, rechne damit, dass sie sich weiter verbreiten könnten. Gehe immer davon aus, dass die verbreiteten Daten eine erheblich größere Zielgruppe erreichen könnten als du ursprünglich beabsichtigt hast. Deswegen überlege stets, ob du sie wirklich - und wenn ja - ob du sie in dieser Form verbreiten möchtest.

Öffentliche Daten sind öffentlich, du kannst sie nicht zurückholen.
Was einmal öffentlich ist, kann nur schwer bis gar nicht aus der Öffentlichkeit wieder vollständig entfernt werden. Daten sind frei kopierbar, und dies wird auch immer wieder nach Belieben und Beliebtheit der Daten geschehen. Führe dir das immer vor Augen, bevor du etwas veröffentlichst. Rechne daher damit, dass jede Veröffentlichung endgültig ist.

Auch wenn private Daten bereits öffentlich sind, verbreite sie nicht dem ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen zuwider weiter, es sei denn, es besteht ein berechtigtes Interesse daran.
Sollten private Daten gegen den Wunsch eines Betroffenen oder aus Versehen veröffentlicht worden sein, respektiere die Bitte des Betroffenen, sie nicht weiter zu verbreiten. Eine Ausnahme ist auch hier im Einzelfall das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit.

Jeder Mensch hat das Recht, öffentliche Daten zu nutzen und zu verarbeiten.
Öffentliche Daten dürfen von jedem genutzt werden. Sie sind eine unendliche, und jedem zur Verfügung stehende Ressource, eine Quelle für Wissen und Erkenntnis. Durch das Vernetzen verschiedener Datenquellen lassen sich viele neue Dinge erschaffen, die der Allgemeinheit nutzen können.

Deine Daten können Gutes schaffen. Entziehe sie nicht der Allgemeinheit, wenn sie deine Privatsphäre nicht bedrohen.
Du hast zwar die Freiheit über deine Daten zu bestimmen, aber bedenke dabei die damit einhergehende Verantwortung, sie wenn möglich zum Wohle der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Enthalte daher deine Daten der Öffentlichkeit nicht nur aus Prinzip vor, sondern nur, wenn der Schutz deiner Privatsphäre es erfordert.
Nimm als Beispiel die Diskussion um Google StreetView: Zeigt dich ein aufgenommenes Bild in einer peinlichen Pose oder könnte es dich in eine missliche Situation bringen, so hast du ein berechtigtes Interesse daran, dass dieses Bild gelöscht wird. Aber überlege dir, ob es wirklich deine Privatsphäre gefährdet, wenn ein Foto der Außenwand deiner Wohnung veröffentlicht wird, die ohnehin jeder anschauen kann. Ist nicht vielleicht der Nutzen für die Allgemeinheit ungleich größer, auf diese Daten zugreifen zu können?

Fordere nichts Unmögliches.
Auch wenn du grundsätzlich frei über deine Daten entscheiden darfst, mache dir klar, dass es technische und soziale Grenzen bei der Umsetzung deiner Entscheidung gibt. Beachte dies und stelle dich darauf ein.

Verzeihe, wo du nicht vergessen kannst.
Auch das Netz kann vergessen, aber es vergisst wenig. In diesem Rahmen muss eine Gesellschaft mehr verzeihen um den sozialen Frieden zu wahren und eine Rehabilitation zu ermöglichen. Jeder Mensch macht Fehler - je offener wir mit unseren eigenen Fehlern und Fehlern anderer umgehen können, desto besser können wir alle aus ihnen lernen.


UNTERZEICHNER
  • Benjamin Siggel
  • Michael Vogel
Du möchtest dich der Idee der Datenethik anschließen? Dann verbreite die Idee und handele nach ihr. Du bist eingeladen, diesen Text nach Belieben zu kopieren und mit anderen zu teilen.

Labels: , , , ,

Samstag, 25. September 2010

Warum ich keine Zeitung lese am Beispiel von DIE ZEIT

Meinen Lesern ist die ewige Diskussion um Qualitätsjournalismus, Leistungsschutzrecht usw. natürlich ein Begriff. Zuletzt hat Stefan Niggemeier mit Falsche Freunde über diese andere Realität gebloggt und die neueste abgefahrene Idee ist, Schüler zum Zeitungslesen zu zwingen.

Auch über die zunehmend unterirdische Qualität des Qualitätsjournalismus ist schon viel geschrieben und diskutiert worden; all die kleinen Schnitzer und systematischen Fehler kann man bei Twitter wiederfinden.

Aber was irgendwie noch fehlt ist mal ein Beispiel, wie Zeitunglesen so abläuft. Meine Vermutung ist ja, dass die Art und Weise der Informationsrezeption eine grundlegend verschiedene ist zwischen digital natives, digital immigrants und Papierlesern, weshalb die einen die morgendliche Lektüre der FAZ als unerlässlich empfinden, während ich die FAZ nach zwei Monaten lesen wegen mangelnder Relevanz und Qualität abbestellt habe.

Für dieses Beispiel, wie ich Zeitung lese, habe ich DIE ZEIT Ausgabe 39 ausgewählt. Zum einen, weil sie hier ohnehin rumlag, zum anderen, weil sie in der Kategorie Wochenzeitung weniger ein das-ist-passiert abbildet, sondern mehr Kontexte aufzeigt und in die Tiefe geht.

Denn für was-ist-passiert brauche ich keine Zeitung mehr, darüber bin ich durch das Internet früher und umfangreicher informiert. Insofern hat eine Wochenzeitung noch den meisten potentiellen Mehrwert für mich. Und ein Artikel, dessen andauerndes Fazit weiß-ich-schon-seit-... ist, ist nicht sonderlich spannend.

Also fangen wir an - mit Seite 1:

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 1
Beim nächsten Mal wird alles besser macht einen Rückblick auf die deutsche Einheit. Den überfliege ich kurz, stelle fest, es geht im wesentlichen nur um die wirtschaftlichen Aspekte und erspare mir daher das Lesen. Erstens verstehe ich zu wenig von Wirtschaft, um die bruchstückhaften Informationen kritisch würdigen zu können, zweitens - was mit erstens zusammenhängt - interessiert es mich auch wenig.

Viel interessanter fand ich da den Chaosradio-Express Podcast 160 zur DDR, den ich vor kurzem gehört habe.

Von Jetzt wird regiert schreckt mich schon die zweite Überschrift ab: Die Kanzlerin zeigt Führungswillen. Aber reicht das den Wählern, sich mit der Politik zu versöhnen? Wenn das ein Resümee des Artikels in Frageform ist, kann man vom Artikel nichts erwarten. Führungswillen. Ich versöhne mich mit Angela Merkel doch nicht wegen irgendeines Führungswillen, wenn der Zwist auf ihren Taten beruht.

Hinter Schloss und Riegel ist ein Kommentar zum Thema Amoklauf und Schützenvereine. Tenor der zweiten Überschrift: Schützenvereine müssen jetzt abrüsten. D'accord - aber die Argumente dieser Diskussion sind mir bekannt, meine Meinung dazu habe ich mir schon gebildet (und gebloggt), das Lesen kann ich mir sparen, es sei denn, ich brauche gerade etwas Selbstbestätigung fürs Ego.

Den ganzen Kram in der rechten Spalte kann ich mir zu lesen sparen, er verweist nur auf das was kommt und das werde ich ohnehin gleich sehen.

Fazit von Seite 1: Drei Überschriften gelesen und einen Artikel überflogen. Zeitaufwand vielleicht 30 Sekunden.

Kommen wir also zur Doppelseite 2-3:

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 2-3
Linke Seite, linke Spalte, Worte der Woche. Von den 6 Leuten kenne ich nur zwei. Wirklich herausstechend ist nur Christine O'Donnell mit:

Wenn die Regierung das Volk fürchtet, dann herrscht Freiheit.

In V wie Vendetta heißt es: Ein Volk sollte nicht Angst vor der Regierung haben, eine Regierung sollte Angst vor dem Volk haben.

Frau Donnell merke ich mir - vielleicht kann man sie ja beizeiten beim Wort nehmen, wenn der Wahlkampf (Senat von Delaware) vorbei ist.

Darunter kommt eine Überschrift mit dem Worte Sarrazin - der Textblock wird übersprungen, genauso wir Dönhoff-Preis. Der Azubi-Diktator über Nordkorea wird übersprungen. Was dort passiert, entzieht sich ohnehin jeder Kontrolle und jedem Wissen. Über Nordkorea kann man daher alles und nichts schreiben.

Auf Seite 3 dann Wehe, wenn wir wieder regieren über die neue Stärke der Grünen. Den Artikel lese ich an, weil sich aber nach wenigen Sätzen abzeichnet, dass es nicht die Vielzahl von Informationen ist, die den Artikel so lang machen, sondern eher ein epischer Erzählstil, springe ich gleich etwas weiter. Können die Grünen, wollen die Grünen, ein paar kurze Statements von Grünen, usw. Wenig Substanz zu einem Thema mit wenig Substanz. CDU/FDP regieren, SPD kämpft einen Todeskampf, bleiben nur die Grünen zu denen mal als Wähler hinrennen kann. Eine typische Blase die genauso wieder platzen wird. Wenn sie eines verdeutlicht, dann nicht die Stärke der Grünen sondern die zunehmende Instabilität des Wählerwillens und den Bedeutungsverlust der Volksparteien. Ein Glück, dass sich das (noch?) auf die Grünen fokussiert und die Leute nicht gefrustet NPD & Co. wählen.

Fazit der Doppelseite 2-3: Ein Artikel angelesen und dann quergelesen, ein gutes Zitat gefunden, dass leider nach dem Wahlkampf wieder vergessen sein wird. Zeitaufwand vielleicht 3 Minuten.

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 4-5
Doppelseite 4-5 beschäftigt sich - außer mit Werbung für einen antiquiertes Statussymbol und irgendeinem driving coat damit, dass Frankreich Roma vertreibt während Millionen dagegen auf die Straße gehen, Sarkozy fett angefressen ist und für einen Politiker überraschend deutliche Worte findet und Angela Merkel - wir erinnern uns, die Frau mit dem neuen Führungswillen - nichts tut, außer zu dementieren, sie habe auch vor, demnächst Roma rauszuschmeißen.

Eingerahmt von zwei nichtssagenden Bildern von Sarkozy und seinem Gegenspieler Barrosso. Was für ein Fehlgriff in der Wortwahl.

Unten findet sich immerhin eine schöne Visualisierung, wie die neue Antimuslim-Rechte Europa erobert.

Weil mir das Thema allgemein bekannt ist, lese ich den Artikel nur quer. Er enthält in vielen schönen Worten nichts neues. Lediglich der schöne Satz Sie ist die stärkste Fraktion im Parlament und stellt einen Minister, genannt Bundesrat wirft mich so aus der Bahn, dass ich erstmal bei Wikipedia überprüfen muss, ob DIE ZEIT Mist schreibt, oder in der Schweiz tatsächlich ein Minister mit dem Namen Bundesrat existiert. Keins von beiden ist der Fall - die Schweizer nennen die Minister im Bundesrat auch einfach Bundesrat. Oder Bundesrätin. Wieder was gelernt.

Fazit für die Doppelseite 4-5: Schön, dass DIE ZEIT diesem Thema immerhin eine Doppelseite einräumt. Allerdings hätte man vielleicht auch einen Anrisstext auf Seite 1 platzieren können. Da steht ja sonst wenig sinnvolles. Und die Visualisierung mittels Europakarte ist ein typisches Beispiel dafür, wieviel besser man für so etwas das Medium Internet nutzen könnte. Ich erinnere nur mal an den Guardian bei den Afghanistan War Diarys. Da hätte man ganze Artikel pro Land anhängen können, statt jeweils nur einen doch stark verkürzenden Absatz im Artikel daneben zu schreiben, das ganze mit einer verstellbaren Zeitleiste verknüpfen, usw. Zeitaufwand hier etwa 5 Minuten.

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 6 -7

Nach einmal umblättern springt mir auf Doppelseite 6-7 Mitmachen? Warum nicht! entgegen, der sich mit Politikverdrossenheit und einem mangelnden politischen Engagement auseinandersetzt. Leider kommt der Artikel über Allgemeinplätze nicht heraus und die einzige Perspektive die er aufwirft ist, es müsse irgendwie Romane, Filme oder TV-Serien geben, die von der Attraktivität von Politik handeln. Ja sicher. Diesen Artikel zu lesen war Zeitverschwendung.

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 8 - 9
Zum Glück sieht man dem Artikel Wie politisch bin ich noch? sofort an, dass man ihn sofort überblättern kann. Ein Multiple-Choice-Test der einem dabei helfen soll, seine eigene politische Kompetenz einzustufen. Neben Fragen wir Welche Tiere tragen maßgeblich zum Treibhauseffekt bei und Wer wurde Bluthund genannt gibt es dann schöne Visualisierungen, zB von einem Anzugträger mit einer Baumkrone als Kopf. 

Auf Doppelseite 8-9 setzt sich das fort und dann kommt die Auswertung. Je mehr Punkte man hat, desto mehr geballte Fäuste kriegt man. Immerhin stand schon in der Überschrift, man solle die Fragen ernst, aber nicht zu ernst nehmen.

Fazit: Zwei Doppelseiten, eine Enttäuschung. Etwa 8 Minuten verschwendete Zeit. 

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 10 - 11
Auf Doppelseite 10 - 11 wird dann erstmal unter dem Titel Dynamo Deutschland Sigmar Gabriel zum künftigen Kanzlerkandidaten erhoben. Mit einem tollen Bild in der Mitte und einer nichtssagenden Bildunterschrift. Mehr als 5 Sekunden Aufmerksamkeit kriegt der Artikel nicht.

Der nächste Artikel Wir sind anders steht neben dem Beitrag der ZEIT zur Atomdebatte: Eine Werbeanzeige der Atomlobby, die Kernkraft als Partner regenerativer Energien darstellt: CO2-Ausstoß = Null, Klimaschützer unter sich. Ja, für Geld kann man in der ZEIT alles lancieren.

Der eigentliche Artikel auf Seite 11 dreht sich mal wieder um Ostdeutschland und er verspricht medienkritisch zu werden. Und aus irgendeinem Grund sind alle Absätze durchnummeriert. Keine Frage, den lese ich. Und stelle fest: Substanzieller Artikel, gute Arbeit Jana Hensel. Ist mir auch schon aufgefallen, aber so differenziert und detailliert habe ich das noch nicht betrachtet. Wäre es ein Online-Artikel, würde ich mir den jetzt in meinen Feedreader schieben, entsprechende Tags vergeben um ihn widerfinden und verlinken zu können. Leider gibt es ihn nicht online. (EDIT: Doch, es gibt ihn hier, danke @Anonym) Und so wird er verloren gehen. Trotzdem schaue ich noch bei Wikipedia, wer Jana Hensel ist. Ihren Namen merke ich mir.

Fazit: Ein guter Artikel, einen neuen Namen, Zeitaufwand ungefähr 15 Minuten.

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 12 - 13
Die Doppelseite 12 - 13 verspricht gut zu werden. Lässt sie tatsächlich zwei muslimische Frauen zu Wort kommen, die wohltuend rational die Debatte ums Muslimischsein vom Kopf auf die Füße stellen. Özlem Topçu mit Was alte Losungen nicht vorhersehen und Naika Foroutan mit Wer ist wir?.

Özlem Topçu hat auf ihrer Webseite sogar eine Vielzahl weiterer Texte veröffentlicht, die einen interessanten Lesestoff versprechen. Leider endet alles irgendwie Anfang 2009 und auch dieser Artikel ist nicht darunter. Aber ich finde ihn online bei der ZEIT, und so wandert er in mein digitales Archiv. Dasselbe gilt für Wer ist wir?.

Auf Seite 13 gibts einen Artikel pro Moskaus Bürgermeister den der russische Präsident nicht mag und darunter irgendein Bericht von den Phillipinen. Keiner der Artikel verspricht einen Mehrwehrt, den man nicht auch hätte twittern können. Ich lese sie nicht.

Fazit: Zwei gute Artikel, zwei neue Namen und mehr im Internet. Ein Verweis auf dieses Mehr hätte die ZEIT aber ruhig abdrucken können. Und man hätte beide Artikel lieber thematisch bei Seite 4 - 5 einordnen sollen. Zeitaufwand für diese Doppelseite: Ca. eine halbe Stunde; allerdings entfallen davon bestimmt zwei Drittel auf Nachrecherchen im Internet.

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 14 - 15
Doppelseite 14 - 15 ist dann wieder eine Enttäuschung. Sarrazin-Artikel überspringe ich sofort (don't feed the trolls), Afghanistan und Versagen des Westens ist mir bekannt, das Roland Koch jetzt Tête-à-tête mit dem Dalai Lama ist, zeigt nur seine Heuchelei - entweder heute oder gestern. Einen kurzen Schnipsel zu Hartz IV, einen langen Artikel über Ahmadineschad (don't feed the trolls) überlättere ich auch, und dass Demokratien ihre Fehler korrigieren können, ist zwar theoretisch klar, wird sich aber erstmal praktisch beweisen müssen. 
Fazit: Zeitaufwand ca. 30 Sekunden.


DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 16 - 17
Die Seite 16 ist das Inhaltsverzeichnis, das Dossier beschäftigt sich auf Seite 17, 18 und 19 damit, dass das Drama verschütteter Bergleute zur Fernsehshow wird. Ja sowas gibts doch in Deutschland nicht.

Auf Seite 20 folgt dann die Wochenschau wo irgendeine Katarina Witt zur Miss Olympia 2018 stilisiert wird; da mich Sport nada interessiert und auch der Kulturschnipsel darunter mit irgendeinem chinesischen Dichterdissidenten nicht prickelnd erscheint, folgt der nächste Blick auf Seite 21.

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 20 - 21
Da gehts um Geschichte von vor Ewigkeiten und und irgendeiner Staufer-Schau in Mannheim; daneben um Casanova. Auf Seite 22 folgt dann ein Exkurs in die Kolonialzeit.

All das überspringe ich mangels Interesse. Und darum gibts darüber so wenig zu schreiben, dass ich hier nichtmal mehr alle Bilder hinquetschen kann, ohne dass aus diesem Artikel ein Bilderbuch wird oder ich Fülltext wie diesen hier produzieren muss.




DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 22 - 23
Auf Seite 23 gehts dann weiter mit Wirtschaft, ein Thema wovon ich wie gesagt keine Ahnung habe und auch kein Interesse mitbringe. Sind das Spinner? (Fortsetzung auf Seite 24) beschäftigt sich mit einer Abkehr von dem Wachstumsdogma. Für eine fundierte Meinung wird das aber kaum ausreichen; da kann ich es auch gleich lassen. Rechts daneben gibts ein bisschen Maziere-Gebashe weil er dem Google-Gebashe nur eine Selbstverpflichtung folgen lässt. Unten gibts die Anekdote um die richtige Schnitzelgröße, die schon vor Tagen durch Twitter lief.


DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 24 - 25

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 26 - 27
Auf Seite 25 gehts dann um S21, aber zu diesem Thema ist inzwischen wirklich alles gesagt. Zumindest im Netz. Seite 26 - 27 bietet dann in Denken, wie das Netz es will in einer Doppelseite Raum für eine Buchbesprechung von irgendeinem bald erscheinenden Buch. Sicherlich ein guter Artikel für Nicht-Netzies, aber nach wenig querlesen ist mir klar, dass es hier nur Altbekanntes gibt.

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 28 - 29


Auf Seite 28 schafft man es, immerhin eine Seite mit der Erkenntnis zu füllen, dass in ganz Europa der Sozialstaat abgebaut wird, Seite 29 handelt von irgendwelchen Firmen, dich ich nicht einmal kenne.
  
Inzwischen habe ich also 15 Seiten überblättert, doch es geht munter weiter. Auf Seite 30 - 31 geht's mal wieder um die DDR und ihre Wirtschaft, dann kommt auf Seite 32 als Artikel getarnte Werbung. Auf Seite 33 heult sich der angeblich erfolgreichste Banker Italiens aus, dass ihn keiner mehr will. Wahrscheinlich Resultat seines Erfolges.

Die Seiten 34, 35, 36 handeln dann von Silberpreis, Bankenfusionen, den Ermittlungen gegen die Telekom, Volkswagen und einer Einführung für Kinder, Warum gibt es Arbeitslose? und vom Erfolgsrezept einer miesen Zeitschrift namens Landlust.

Sicherlich, da sind einige heiße Themen bei - aber wie gesagt - nichts, wovon ich etwas verstehe. Auf Seite 37 gehts dann weiter mit radikalen Tierschützern gegen eine Hähnchenfabrik - bereits die Überschrift sagt einem alles was kommt.

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Seite 54 - 55
So langsam wirds langatmig, ich verkürze mal: Ich werde den Wirtschaftsteil überlättern, im Wissen hier und da reinlesen, aber nichts spannendes finden, den Feuilleton überlättern aber mich vorher noch auf Seite 54 über eine richtig miese und unkritische Buchbesprechung zu Stephanie Guttenbergs Buch ärgern, die voll die emotionale Denkt-denn-niemand-an-die-Kinder Schiene fährt und mit dem Fazit endet: 
Frau Guttenberg denkt an die Kinder, deshalb sollen ihr die Unternehmen, die im Internet Kasse machen, 800.000 Euro für ein Selbsthilfeprogramm gemobbter Jugendlicher geben. Ich weiß natürlich nicht, ob die Autorin das Buch gelesen hat, aber angesichts der massiven Mängel dieses zusammenschusterten Propagandawerkes fällt es mir schwer, das zu glauben.

DIE ZEIT, Ausg. 39 - Werbung getarnt als Journalismus
Die Rubrik Reisen überblättere ich ebenfalls; die Texte fand ich noch nie gut, aber die Bilder habe ich mir früher gerne angeschaut. Aber da ist Google-Earth mit geogetaggten Panoramia-Fotos und geogetaggten Wikipedia-Artikeln längst kilometerweit vorbeigezogen. Dann kommt Beruf und dann Chancen, nochmal als Artikel getarnte Werbung, 10 Seiten Stellenanzeigen und auf Seite 96 ist Schluss.

Gesamtfazit: Drei gute Artikel, allerdings erst auf den Seiten 11 und 12 und nur zwei davon kann ich archivieren. Ebensoviele richtig schlechte Artikel, der Rest der toten Bäume wandert mangels Interesse mehr oder weniger ungelesen in den Müll. 

Ein wenig Erkenntnisgewinn, aber einen viel zu großen Teil meiner Zeit habe ich einfach damit verbracht, Artikel auszusortieren. Diese Filterfunktion übernehmen die systeminternen Mechanismen im Internet automatisch und besser; die Quote guter Artikel ist daher viel höher, die Artikel detaillierter, die Verweise besser, die Möglichkeit zur Archivierung jederzeit gegeben - und zwar ohne suchen.

Und natürlich hat eine Zeitung keine Möglichkeit zur Vertiefung, das erfolgt dann wieder im Internet, abseits der hierfür nicht existenten Angebote der Verlage.

EDIT: Es gibt noch mehr Menschen, die Zeitung lesen und sich fragen warum.

Labels: , , , ,