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Grundgesetz ändern Teil 2: Der Schutz von Ehe und Familie

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Die Kinderfresser-Bar: Grundgesetz ändern Teil 2: Der Schutz von Ehe und Familie

Donnerstag, 23. September 2010

Grundgesetz ändern Teil 2: Der Schutz von Ehe und Familie



Einleitung


Im ersten Teil dieser Serie (Grundsätzliches über das Grundgesetz) habe ich das grundlegende Dilemma der Piraten erklärt und versucht Kriterien aufzuzeigen, anhand derer sich piratige Politik orientieren sollte, wenn sie eine Änderung des Grundgesetzes in Angriff nimmt. Da sie Ausgangspunkt dieses Textes sind, gebe ich sie noch einmal kurz wieder:
  • Vor jeder Änderung oder Streichung bestehender Vorschriften muss sich eine verantwortungsvolle Politik besonnen fragen: Was haben sich die Verfassungsväter mit dieser Vorschrift gedacht? Und warum ist der dahinterstehende Gedanke überholt oder bedarf einer neuen Ausgestaltung?
  • Vor jeder Ergänzung muss sich eine nachhaltige Politik fragen: Handelt es sich hier wirklich um einen Grundwert und besitzt er eine solche gesellschaftliche Relevanz, dass er einer grundgesetzlichen Adelung bedarf? 
  • Und zuletzt muss eine demokratische Politik auch immer die Frage stellen: Wird die gewünschte Veränderung tatsächlich von einer überragenden Mehrheit der Gesellschaft geteilt? Denn deswegen stehen vor jeder Grundgesetzänderung die hohen Hürden einer qualifizierten 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. 


Der Schutz von Ehe und Familie


Ein Anliegen der Piraten ist die Gleichstellung aller Lebensgemeinschaften gegenüber dem Staat. Seine Aufgabe soll es nicht sein, durch Gewährung von Vorteilen bestimmte Lebensgemeinschaften einen höheren Stellenwert einzuräumen als anderen. Dies folgt aus dem Gedanken der Gleichberechtigung und der Neutralitätspflicht des Staates. Eine Vorschrift des Grundgesetzes, die dieser Gleichstellung explizit im Wege steht, ist Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes:
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
Denn diese schützt zwar jede Familie - egal wie sie jetzt strukturiert ist - aber als Beziehungsform allein die Ehe.



Sinn und Zweck des Eheschutzes


Doch was ist eigentlich der Sinn des Schutzes der Ehe? Betrachtet man den Kontext, also die weiteren in Artikel 6 GG enthaltenen Vorschriften, lässt sich festhalten: Kinder spielen eine wichtige Rolle. Die Ehe ist mithin die Quelle von Kindern und die Kinder sind die Zukunft jeder Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnete daher die Ehe früher auch gerne als Keimzelle der Gesellschaft.

Allerdings ist eine Ehe mehr als - um es mal technisch auszudrücken - ein Kinderproduktionsverbund. Sie ist zugleich, genau wie die Familie, eine kleine Solidargemeinschaft, ein Vertrauensverhältnis, ein Aufsprengen der Isolation reiner Individualität und wesentlicher sozialer Bezugspunkt. Deshalb muss sie als wesentlicher Teil persönlicher Freiheitssphäre geschützt werden.

Dass die Verfassungsväter alleine die Ehe unter den Schutz des Grundgesetzes stellten, ist damit zu erklären, dass es damals die einzige Beziehungsform war, die gesellschaftliche Akzeptanz erfahren hat und defacto auch die einzige, in der man Kinder bekommen und aufziehen konnte. Ein Ausdruck dieser Einstellung ist der 1998 abgeschaffte § 217 Strafgesetzbuch, der eine Mutter, die ihr Kind nach der Geburt tötete, weniger hart bestrafte, wenn es sich um ein uneheliches Kind handelte. Ratio war die psychische Zwangslage der Mutter, die mit der Geburt eines unehelichen Kindes einherging.



Abschaffen oder Erweitern?


Die gesellschaftliche Veränderung, die heute eine Vielzahl von Beziehungsentwürfen zulässt, hat aber den Schutz der Ehe nicht obsolet werden lassen. Sie ist heute genauso schützenswert wie zur Zeit der Schaffung der Verfassung. Insofern darf eine Abschaffung des Schutzes der Ehe nicht Ziel piratiger Politik sein. Daher müssen wir dieses Meinungsbild noch einmal überdenken.

Angezeigt ist keine Abschaffung des grundrechtlichen Schutzes sondern vielmehr eine Ausdehnung auf sämtliche Beziehungsformen, die eine gewisse Ernsthaftigkeit mit sich bringen, auf einige Dauer mit dem Ziel einer gemeinsamen Lebensführung angelegt sind und auf Freiwilligkeit und Gleichberechtigung beruhen. Dies umfasst die traditionelle Ehe genauso wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder polyamore und polygame Konstruktionen.

Insbesondere konservative Menschen sehen die Ehe aber auch als eine quasi-natürliche, richtige und über anderen Beziehungskonstruktionen stehende Form des menschlichen Zusammenlebens an, als etwas Besonderes, das gegenüber anderen Beziehungsentwürfen privilegiert werden soll; der etwas technisch-verschwurbelte Begriff dafür ist Abstandsgebot. Dieses Argument wird auch von einigen Piraten, bspw. Validom und Frank Mazny angeführt. So schreibt Frank:
Natürlich ist die monogame, heterosexuelle Ehe die durch Kinder zur Familie wird historisch erwachsen. Einfach deshalb, weil sie seit Anbeginn der Menschheit das ideale Modell für Familie ist, und sich seit tausenden von Jahren bewährt hat.
Einer solchen Auffassung fehlt allerdings letztlich jede rational-argumentative Grundlage; sie lässt sich allein mit einer christlich-kulturell geprägten Geschichte begründen und zeugt - verzeih mir meine Deutlichkeit Frank - von einem Denken, das am Tellerrand der abendländischen Kultur endet. 
Auch in anderen Kulturkreisen gibt es historisch gewachsene Beziehungsformen, die von unserer Ehe weit entfernt sind. Und auch dort werden Menschen diese zu einer Idealform erheben und damit genauso falsch liegen.

Denn auch andere Beziehungsformen bieten einen Raum für innere Solidarität, können Grundlage eines Kindeswunsches sein und dem Kind einen Entwicklungsrahmen sichern. 

Ich persönlich lehne sowohl die Idee eines Abstandsgebotes als auch die dazugehörige Argumentation entschieden ab. Sie ist eher für die CDU/CSU angemessen, als für uns Piraten, die wir nach unserem Selbstverständnis nackte Ideologie als Grundlage von Entscheidungen ablehnen und stattdessen rational aus Fakten Lösungen entwickeln möchten und dabei die Freiheit des Menschen als selbstbestimmtes Wesen in den Mittelpunkt stellen.

Die Hüter der heiligen Kuh übrigens lehnen die Existenz eines Abstandsgebotes ebenfalls ab. So schreibt da Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz in Randnr. 98:
Dem Gesetzgeber ist es wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen... Aus der Zulässigkeit, in Erfüllung und Ausgestaltung des Förderauftrags die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich jedoch kein in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenes Gebot herleiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Dies verkennt die Richterin Haas in ihrer abweichenden Meinung, wenn sie das Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 GG als ein Benachteiligungsgebot für andere Lebensformen als die Ehe versteht. Art. 6 Abs. 1 GG privilegiert die Ehe durch einen nur ihr zukommenden verfassungsrechtlichen Schutz und verpflichtet den Gesetzgeber, sie mit den ihr angemessenen Mitteln zu fördern. Ein Gebot, andere Lebensformen zu benachteiligen, lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. 
Eine Entscheidung die Pflichtlektüre sein wird, wenn es darum geht, die Beendigung der Diskriminierung alternativer Beziehungsmodelle in Gesetzesform zu gießen. Auch heute schon lege ich sie jedem ans Herz, der sich für diese Diskussion interessiert.



Fazit


Selbstkritik tut Not; oben erwähntes Meinungsbild hätte in dieser Form bei den Piraten Widerspruch bekommen müssen. Auch und gerade von mir und anderen mit einem juristischen Background. Trotzdem darf für Piraten das Grundgesetz nicht sakrosant sein, wir müssen aber Forderungen nach Grundgesetzänderungen intensiver diskutieren - die Eingangs genannten drei Punkte können hier eine Orientierung bieten. Dies gilt nicht nur für Initiatoren, sondern gerade auch für diejenigen, die eine Initiative unterstützen, in der eine Änderung des Grundgesetzes gefordert wird. Wer eine Stimme hat, hat entsprechend Verantwortung.

Unseren Grundsatz, die rationale, ergebnisoffene Entwicklung von Lösungen anhand von Fakten, dürfen wir aber nicht über Bord werfen. Denn dieser ist kein Selbstzweck sondern soll sicherstellen, die bestmögliche Lösung für ein Problem zu finden.

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